Klimanotstand, WORLDLING und eine andere Welt ist möglich!
Seit Jahrzehnten nimmt die Umweltzerstörung immer größere Ausmaße an. Die Klimakrise, die es mittlerweile in die Medien geschafft hat, verdeutlicht jedoch eine neue Dimension – immer klarer wird: „so kann es nicht weitergehen“.
Doch die große Politik bleibt untätig. Die Zerstörung der Umwelt passiert bereits seit Jahrzehnten vor unseren Augen und seit Jahrzehnten ist es klar, dass es so nicht weitergehen kann. Die Zielvorgaben des Pariser Übereinkommens wurden im Jahre 2015 von den 197 Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention der UNO in Nachfolge zum Kyoto-Protokoll (2005) beschlossen. Diese eigens beschlossenen und ratifizierten Ziele können jedoch nicht eingehalten werden, also werden sie auf 2030 aufgeschoben. Die europäische Effort-Sharing-Entscheidung, in der Österreich sich bis zum Jahr 2020 zu einer Emissionsminderung bis zu 16 % verpflichtet hat, bleibt erfolglos und setzt sich jetzt ein neues Ziel bis zum 2030 mit einer Minderung von 36 %. Auch in diesem Sommer haben wir die Konsequenzen der Umweltzerstörung, welche sich in der globalen Erwärmung deutlich gemacht hat, am eigenen Leibe erfahren und das ist erst, wie alle ExpertInnen darlegen, der Anfang. Seit Jahren sterben die Kriegsflüchtlinge vor den Toren Europas im Mittelmeer. Sehr bald werden Klimaflüchtlinge im Mittelmeer sterben. Das erinnert an die reichen Klöster des Mittelalters, vor dessen Toren das so genannten „Fußvolk“ vor der Armut „dahinkrepierte“.
Menschen brauchen „das Andere“, um sich selbst im Unterschied zu diesem „Anderen“ definieren zu können. Es obliegt dann dem gesellschaftlichen Diskurs, der persönlichen Kultur und dem reflektierten Bewusstsein der Menschen, wie sie mit diesen Unterschieden umgehen. Die Politik, die sich über die Nation und die Grenzen dieser (territorial, sprachlich, ethnisch, religiös etc.) definiert muss auf Kategorien und Hierarchien aufbauen, um jenen, die dem Narrativ passen die Priorität und Privilegien zuzuteilen. Das System stellt über vielfältige Konstruktionen Konkurrenzverhältnisse und Hierarchien her. Es ist diese Hierarchie und es sind diese Rollen, die die AkteurInnen innerhalb des Narrativs performen, welche dann das kapitalistisch-bürgerliche nationalstaatlich konzipierte System in einem stillen Kompromiss (Gesellschaftsvertrag) aufrecht hält. Alle jene, die im Rahmen des Narrativs die NutznießerInnen des Systems sind, kriegen die diversen Kämpfe, die bei jenen Gruppen stattfinden, die sich an den unteren Enden dieser sozioökonomischen Hierarchie befinden, nicht wirklich mit. In dem Moment, in dem die Privilegierten ein Bewusstsein für die Umstände der Unpriviligierten kriegen würden, müssten sie eigentlich ihre eigenen Komfortzonen in Frage stellen und in Selbstzweifel über die Begründung zu den privilegierten Umständen des eigenen Dasein geraten. Nicht wenige Menschen denken und meinen sogar, dass jene Privilegien, die ihnen selbst zuteil sind, auch den anderen gegönnt sein müsste, doch in dem Moment, in dem der nächste Schritt gewagt werden müsste, nämlich Aktiv-werden für die gesellschaftliche Gleichberechtigung, dominiert dann doch vielfach das Schweigen. Diese Haltung wäre vielleicht sogar auch kein Problem, wenn Mensch und Natur unsterblich wären, doch wie uns allen bekannt ist, ist der gesamte Planet in Gefahr.
Das Narrativ, das durch die kapitalistischen Macht- und Produktionsverhältnisse und dem Modell des Nationalstaats, welcher ein Bestandteil dieses Wirtschaftssystems (siehe Merkantilismus) ist, der auf die Differenzen zwischen den Menschen und Menschengruppen aufbaut, hat sich ausgespielt. Die Erzählung („alles ist möglich“ und „jeder ist seines Glückes Schmied“), welche nebensächliche Differenzen zwischen Menschen zur „conditio sine qua non“ aller Entwicklung hochstilisiert, um den Status Quo zu legitimieren, stößt an die Erfahrungsgrenzen von hunderten Millionen von Menschen. Spätestens die Klimakrise zeigt uns, dass die Konsequenzen der Umweltverschmutzung die konstruierten Grenzen (soziale, ökonomische, kulturelle, religiöse, politische etc.) nicht kennt. Diese Krise zeigt uns, dass es keine andere Erde als die unsere gibt. Diese Krise zeigt uns auch, dass wir jetzt aufgerufen sind, zu handeln – und zwar gemeinsam. Die asymmetrischen Macht- und Produktionsverhältnisse müssen zerbrochen werden. Keine tragfähige und langfristige Lösung ist, Menschen, die um die Ernährung ihrer Familien kämpfen (müssen), zum wenigen Fleischkonsum aufzurufen, wenn auf der anderen Seite die Massentierhaltung und die Industrieproduktion von Fleisch weiter fortgesetzt wird. Es gilt die internationalen Konzerne in die Pflicht zu nehmen, denn ihre Vermerke auf den Etiketten ihrer Produkte, die auf Umweltfreundlichkeit hinweisen sind oft nicht mehr als Lippenbekenntnisse – die das eigene Gewissen und das Gewissen der KonsumentInnen beruhigen sollen. Wir haben keine Zeit mehr uns gegenseitig zu vertrösten oder zu manipulieren.
Es ist längst an der Zeit zu verstehen, dass wir alle am gleichen Strang ziehen müssen und, dass es wirklich um uns alle geht, wenn wir die Welt nachhaltig erhalten möchten und diese Einsicht wird das neue Narrativ definieren müssen. Dazu braucht es einen radikalen Perspektivenwechsel und Entwicklung von Solidarisierungsplattformen, die jene gemeinsamen Ziele definieren, die zum Wohlergehen aller dienen werden. Die Konzerne und EntscheidungsträgerInnen des gegenwärtigen Systems müssen einsehen, dass sie erstens Geldscheine nicht essen können und zweitens der neu entdeckte Planet erst 31 Lichtjahre in Entfernung liegt und nicht einmal sie mit ihren Geldern genug Zeit dafür haben werden, jene Technologien zu entwickeln, auch diesen neuen Planeten zu invasieren.
Die indisch-amerikanische Literaturwissenschaftlerin und Aktivistin Gayatri Chakravorty Spivak verwendet das Wort „WORLDLING“, um zu erklären, dass wir die Welt so sehen und leben, wie wir sie denken. Dieses System, das durch die geeinte Kraft des Kapitals die Weltbevölkerung gespalten hat, und tatsächlich nach dem Motto „divide et impera“ herrscht, muss, kann und wird von jenen verändert werden, die dieser Ent-solidarisierung bewusst entgegenwirken werden, denn dieser geeinten Front gilt es mit einer geeinten Front derjenigen zu begegnen, die die Konsequenzen dieses eigennutz- und profitorientierten Narrativs tragen müssen.
08.08.2019
zeynemarslan