Die Multi-Identität einer religiösen Ethnie und ihr Widerstand gegen die Eingliederung in neue-alte Dominanzverhältnisse
Abstract
Die vorliegende Arbeit behandelt das Thema einer religiösen Ethnie, die angesichts ihrer fehlenden klaren politischen Positionierung in der Türkei zu einem wichtigen Teil von externen Zuschreibungen dominiert wurde/wird und in der türkischen Politikszene stets als Balanceakt zur so genannten Scharia-gefahr im Land instrumentalisiert wurde/wird. Die ständige Vergleichssetzung zum sunnitischen Islam, das die Mehrheit der muslimischen Bevölkerung in der Türkei ausmacht und den staatspolitischen Diskurs bestimmt, setzt sich im Rahmen der Anerkennungsbemühungen der alevitischen Organisationen in der europäischen Diaspora weiter fort. Insbesondere in Österreich zeigte sich im Zuge der Anerkennungsbemühungen alevitischer Organisationen seit ca. 2008/09, dass auch hier eine Instrumentalisierung der Alevit*innen zur Durchsetzung eines staatspolitischen Interesses vollzogen werden konnte.
Keywords
Religiöse Ethnie, anatolische Alevit*innen, Alevitentum, Islamgesetz, Identitätszuschreibung, Intersektionalität, Dominanzverhältnisse
1. Einführung
Schätzungen nach umfassen die Alevit*innen einen Anteil von ungefähr einem Drittel der Gesamtbevölkerung in der Türkei. Seit dem so genannten ‚Alevi Revival‘ vom 2. Juli 1993, an dem in der Ost-Anatolischen Provinz[1] Sivas im Hotel Madımak 33 alevitische Intellektuelle von sunnitischen Extremist*innen massakriert wurden, plädieren die Alevit*innen für ihre demokratischen Rechte im Sinne der Gleichberechtigung als Mitbürger*innen und ihrer Anerkennung als Religionsgesellschaft in der Türkei (Kaplan 2009: 161; Puchberger 2004; Arslan 2016; Bruinessen). Von der Herrschaft unter dem Osmanischen Imperium bis zum heutigen Tag in der Republik Türkei, sind die Alevit*innen nicht anerkannt und im Rahmen des Paradigmas „Türk-Türkisch-Sunnitisch-Islam“ diversen Diskriminierungen ausgesetzt. So sind alevitische Kinder in den türkischen Volksschulen bis heute dazu verpflichtet, den sunnitischen Religionsunterricht zu besuchen. Gleichzeitig steht es bis heute aus, dass Personen mit alevitischem Hintergrund staatliche Beamt*innenposten (wie zum Beispiel beim Militär; Anm.) besetzen, es sei denn, diese Person ist assimiliert und seine religiösen Wurzeln sind für alle Seiten nicht mehr klar nachvollziehbar. Desweiter sind alevitische Gebets- und Versammlungshäuser (Cem Evleri) bis dato nicht als Religionsstätte staatlich anerkannt und damit von budgetären Versorgungen durch das sunnitisch-orthodox dominierte Präsidium für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet İşleri Başkanlığı) ausgeschlossen.
Die politische Organisation von vor allem der europäischen anatolischen Alevit*innen im zivilgesellschaftlichen Rahmen brachte die bis dann nicht thematisierte Heterogenität – dieser über Jahrhunderte verstummten Gruppe – bezüglich ihrer Sprache (Zazakî, Kurmancî, Türkisch etc.; Anm.), Ethnie (Türkisch, Kurdisch, Kırmanc; Anm.) und Glaubenspraxis und damit verschiedene Alevismen zutage. Das „sich selbst deklarieren“ und einander kennenlernen brachte auch verschiedene Differenzen ans Tageslicht, die oft zu klaren und sich voneinander abgrenzenden Positionierungen in der Frage der Identitätsdefinition (Kurdische Alevit*innen, Türkische Alevit*innen etc. Anm.) führten. Die armenische Ethnologin Viktoria Arakelova definiert das Alevitentum als eine religiöse Ideologie (Iran and Caucasus Studies Journal 2010), die Ähnlichkeiten mit der jüdischen und ezidischen Bevölkerung aufzeigt.
2. Verfolgung und Diskriminierung unter der Osmanischen Herrschaft
Die Geschichte der Alevit*innen im Osmanischen Reich ist geprägt durch Aufstände gegen die zentralistische Macht des Imperiums. Insbesondere die Zeit zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert ist durchdrungen von mehreren Alevi-Aufständen wie zum Beispiel Baba Ilyas Aufstand (13. Jahrhundert), Sheich Bedreddin Aufstand (15. Jahrhundert) und Pir Sultan Abdal Aufstand (16. Jahrhundert) (Arslan 2016: 88ff). Die größten Einwanderungsströme in das anatolische Territorium spielten sich zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert ab. Der deutsche Sozialwissenschaftler Markus Dressler schreibt:
“Die Errichtung eines türkischen Fürstentums in Anatolien hatte das Land für türkische Flüchtlinge aus dem Osten (Transoxanien, Chorasan, Choresm, Aserbeidschan und dem Iran) attraktiv gemacht. Unruhige politische Bedingungen in den Herkunftsregionen, v. a. die 1219 beginnende Invasion der Mongolen, taten ihr übrigens zu der Auswanderung in erster Linie türkischer, aber auch persischer Stämme nach Anatolien” (Dressler 2000: 29).
In diesem Zeitraum spielte sich ein mehrdimensionaler Gegensatz zwischen dem sich immer mehr etablierenden Zentrum und sehr bewegten Peripherie (Einwanderungsströme, Nomadenvölker; Anm.). Markus Dressler schreibt dazu:
“Die wirtschaftlichen Interessen des seßhaften Zentrums kollidierten mit denjenigen der bäuerlichen und nomadischen Peripherie” (Dressler 2000: 30fff). Und schließlich spitzte sich die kulturelle und religiöse Dichotomie zwischen städtischen Zentren und ländlicher Peripherie zu (Ebd.).
Mit dem 16. Jahrhundert ist historisch eine Zentralisierung und staatliche Stabilisierung der sunnitischen Orthodoxie zu beobachten. Bis dahin kann auch nicht direkt von einer bewusst politisierten alevitischen Positionierung gegen die osmanische Herrschaft gesprochen werden. Die politische Diskriminierung und Verfolgung der Alevit*innen im Osmanischen Territorium beginnt allmählich mit dem 15. Jahrhundert. Bis dahin handelte es sich bei den Alevit*innen-Aufständen um die sozio-ökonomischen Ungerechtigkeiten des autoritär regierenden Zentrums, die diese nicht akzeptieren wollten. So waren die Elitetruppe des Osmanischen Imperiums, nämlich die Janitscharen (Yeniçeriler) die gekidnappten Kinder aus den Eroberungszügen des Imperiums und sie wurden mit der bektaschitischen Philosophie des Hace Bektaş Veli erzogen. Dieser islamische Mystiker und Philosoph, der bis heute die Inhalte der alevitische Lehre prägt und eine wichtige Säule des anatolischen Alevitentums ist, lebte – Schätzungen nach im 13. Jahrhundert und seine Lehre beruht auf der Philosophie des Humanismus.[2] Das Janitscharenheer der Osmanen wurde 1363 gegründet (Aydın 2010: 362). Der türkische Historiker Erdoğan Aydın, Soziologin Serpil Köksal und viele andere Akademiker*innen argumentieren, dass der Bektaschismus der Janitscharen eine Art gemäßigter Islam gewesen ist, welcher vor allem zur Etablierung einer Kameradschaft in der Truppe aber auch Verbreitung eines gemäßigten Islam in ihren Eroberungszügen diente. Aydın schreibt, dass die Janitscharen aktiv an den blutigen Eroberungszügen des Osmanischen Imperiums teilnahmen und von diesen Plünderungszügen ihre Existenz sicherten, sodass sie stets auf Krieg und Plünderung aus gewesen sind, was im totalen Widerspruch zur eigentlichen Philosohpie des Hace Bektaş Veli (Bektaşilik) steht (Aydın 2010: 389). Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Hace Bektaş Veli eines der Gründerväter des Osmanischen Imperiums gewesen ist. Zusammen mit Edebali und Osman I (Sohn des Ertuğrul) gründeten sie 1299 das Imperium. Hace Bektaş Veli und Edebali sind bis heute als turkmenische Aleviten bekannt, worauf sich der ursprüngliche und volle Name des Imperiums zurückführen lässt: Devlet-i Aliyye-i Osmâniyye (Arabisch: دَوْلَتِ عَلِيّهٔ عُثمَانِیّه). Während im Hinblick auf den Bektaschismus der Janitscharen und Gründungsvater Hace Bektaş Veli viele Forscher*innen der Meinung sind, dass das „Aliyye“ im vollem Namen des Imperiums auf den Namen des Weggefährten des Propheten Mohammed und den ersten Gläubigen des Islam, Imam Ali (Vollkommener Name: ʿAlī ibn Abī Tālib[3]) hinweist und die Alevit*innen daher auf die Tatsache die Mitbegründer*innen des Osmanischen Imperiums sind (Osman-Ali Devleti), wird das „Aliyye“ auch als „Groß“ übersetzt, also das Große Osmanische Reich (Büyük Osmanlı Devleti). Aydın erklärt, dass die ersten „Eroberungszüge“ seitens der nomadischen und wirtschaftlich schwächer situierten Türkmenen, im Interesse der Sesshaftwerdung, getätigt wurden. „(…) Dies sei der Beginn des Osmanischen Imperiums, welches im Zuge seiner Machtpolitik sich immer mehr von der eigenen Bevölkerung distanzierte und die elitären und bürokratischen Positionen stets von konvertierten Christen aus dem Balkan besetzte. Insofern geht Aydın auf einen “Entfremdungsprozess” (Türkisch: yabancılaşma) des Osmanischen Imperiums ein“ (Arslan 2016: 97). Zum Einfluss des Islam in das Alevitentum schreibt Dressler:
“Während das theologische Schrifttum (“Hochliteratur”) des Islam fast ausschließlich in seßhaften Kulturen rezitiert worden ist, waren für die turkmenischen Nomaden ihre zum Teil nur oberflächlich islamisierten mündlich tradierten Heldenepen (“Volksliteratur”) wichtigstes literarisches Gut” (Dressler 2000: 33).
Und:
Es „ergibt sich ein idealtypischer Gegensatz von nomadischer Lebensform, Illiteralität und Charismaloyalität (Peripherie) sowie seßhafter Lebensform, Literalität und Schriftloyalität (Zentrum)” (Ebd.).
Im 15. Jahrhundert beginnt im Zuge der Annexionsabsichten der Safewiden-Dynastie, die damals das Persische Territorium beherrschten, ein größerer Einfluss der schiitischen Rechtsschule im ost-anatolischen Territorium:
“Vor allem unter der Herrschaft von Ismail I. (Türkisch: Şah İsmail Hatayi) erlebte die Safawiden-Dynastie im 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Bereits dessen Großvater Schah Dschunaid (Türkisch: Şah Cüneyd, 1447–1460) und anschließend dessen Vater Schah Haidar (Türkisch: Şah Haydar, 1470–1488) zeigten großes Interesse am anatolischen Territorium, das zu jener Zeit unter der Herrschaft der Osmanen stand. Sie standen im Kontakt mit den turkmenischen Nomaden und anderen Völkern Anatoliens, die die damalige alevitische Lebensweise praktizierten. Vor allem Ismail I. wuchs in engem Kontakt mit diesen alevitischen Gruppen auf.“ (Arslan 2016: 93).
2.1. Bruch mit dem Schiitisierungsprozess der Alevit*innen
Mit dem Krieg am Tschaldiran (Stadt in der heutigen ost-anatolischen/nord-kurdischen/nord-mesopotamischen/west-armenischen Provinz Van an der Grenze zum Iran) vom 15. August 1514 kann von einem Bruch mit dem Schiitisierungsprozess der heute als anatolische Alevit*innen bekannten religiösen Ethnie gesprochen werden (Arslan 2016). Dieser Krieg, der sich zwischen dem Osmanischen Sultan Yavuz Selim I. und dem Persischen Schah Ismail I. abspielte, ging mit einem Sieg der Osmanen zu Ende. Während ab diesem Zeitpunkt das Osmanische Imperium den sunnitisch-orthodoxen Islam als Staatsreligion/-verfassung erklärte, indem er 1517 das Kalifat von Kairo nach Istanbul holte, etablierte Schah Ismail I. als Balance und zum Gleichgewicht zum sunnitischen Osmanischen Reich, den schiitischen Islam im Persischen Imperium und damit die Basis für die Islamische Republik Iran heute (vgl. Eberhard 1970: 42ff). Dieser regiert heute mit den Prinzipien des sechsten schiitischen Imam Ca’fer es-Sâdık (Nachfahre des ersten Imam Ali; Anm.). Nach der Niederlage des Schah Ismail I. begannen unter dem osmanischen Sultan Yavuz Selim I. die großen – und in der alevitischen, bis heute oral-transmittierten Liturgie – Alevi Massaker und Verfolgungen (Arslan 2016: Sohrweide 1965: 195). Sozialwissenschaftler Hakan Mertcan (2015) schreibt in seinem Buch „Türk Modernleşmesinde Arap Aleviler“ (Deutsch: Arabische Alevit*innen in der türkischen Modernisierung), dass die Osmanische Regierung die Alevit*innen zwar stets benachteiligt und diskriminiert hat, im Gegensatz zu den christlichen und jüdischen Bevölkerungsgruppen allerdings, – je nach politischem Interesse und Kalkül – diese doch irgendwo als Muslime sahen. Die brutale Herrschaft des Sultan Yavuz Selim I. führte gleichzeitig zur Niederlegung des militärischen Aktivismus und bis heute aufrechten Trauma der anatolischen Alevit*innen.
Religionssoziologe David Zeidan schreibt: „Alevi opposition to the Sunni Ottomans in the 16th century resulted in geopgraphical and social marginalization. In order to servile Despoten Majorat hostility and presecution, the Alevis developed into an endogenamous religiös community with definite ethnic markers and a tight social-religious network“ (Zeidan 1999: 75).
Dazu fasste ich in meinem 2016 veröffentlichten Buch folgendes zusammen:
“Die Glaubenspraxis der an den Rand der Gesellschaft gedrängten Kızılbaş[4] war weit entfernt von der orthodoxen Religionspraxis der zentralen Herrschaft. Die Kızılbaş pflegten eine eigene Glaubenspraxis, wobei aufgrund des Rückzugs die Kızılbaş in der Ägeis, die Kızılbaş im Mittelmeerraum, die Kızılbaş im mittelanatolischen Raum, etc. keinen Informationsaustausch pflegten, was mitunter dazu geführt hat, dass die Vertreter__Innen dieses Glaubens heute unterschiedliche Auffassung zu ihrem Glauben haben“ (Arslan 2016: 100).
Zur Ethnisierung des Alevitentum schreibt Dressler:
“Die Ethnisierung sowie der soziale und geographische Rückzug der Kızılbaş führte zur Herausbildung der heute als “Alevitum” bezeichneten Religionsgemeinschaft, die sich in ihren Glaubensvorstellungen, ihrer Terminologie, ihren Riten, ihren sozialen und religiösen Institutionen klar von der hegemonialen Religions-interpretation der Osmanen unterscheiden läßt” (Dressler 2002: 101).
Bis zur Republiksgründung hielten sich die anatolischen Alevit*innen in allgemeiner Isolation in den entlegendsten Gegenden dieser Geographie auf. Diese jahrhundertelange Verstummung hielt an bis zur Gründung der türkischen Republik, der ihnen vor allem durch das Versprechen des Aufbaus einer modernen Staatsform und Etablierung eines Laizismus; konkret Aufhebung des Kalifats und damit der sunnitisch-orthodoxen Hegemonie, Hoffnungen machte.
3. Sehnsucht nach Laizismus und Demokratie in der Republik
Die ersten Säkularisierungsmaßnahmen fanden – weltkonjunkturell bedingt – bereits noch zu Zeiten des Osmanischen Imperiums im 19. Jahrhundert statt. 1839 begann die Modernisierung des Osmanischen Imperiums und endete zunächst mit der ersten osmanischen Verfassung 1876. Die Tanzimat Edikte (1839-1876) markieren die Geburtsstunde des/der/* Osmanische(n) Staatsbürger(s)*in und damit die Etablierung einer konstitutionellen Monarchie (Birinci Meşrutiyet) nach dem europäischen Modell. Mercan schreibt, dass viel für die Gleichberechtigung nicht-muslimischer Gruppen verfassungsrechtlich festgelegt wurden, trotzdem blieb aber die entsprechende Auslegung in die Praxis weitestgehend aus (Mertcan 2015). Für die Alevit*innen brachte diese Verfassung auch nicht die zunächst erhoffte Verbesserung für ihre Situation und die spürten den stärkeren Zugriff des Zentralstaats bedingt durch das immer mehr kränkelnde und daher mehr Steuereinzahlung und Erfüllung des Wehpflichtdiensts fordernde Osmanische Imperium (Kieser 2001). Besonders Ende des 19. Jahrhunderts als Sultan Abdulhamid II. an die Macht kam, wurde eine starke anti-protestantische (damals gab es verstärkte Missionierung der europäischen Kirchen in der Region; siehe Kieser 2001 und Mertcan 2015), anti-armenische und allgemeine Sunnitisierungspolitik (ihtida) durchgesetzt. Der Schweizer Historiker Hans-Lukas Kieser stellt eine stärkere Distanz der Ost-Alevit*innen zum zentralen Staat und dessen Handlangern, die sunnitischen Lokalherren fest (Ebd.).
Eine vor allem in Europa ausgebildete Schicht an Intellektuellen gründeten 1865 die „Patriotische Vereinigung” (Türkisch: İttifaki Hamiyet), die sich später: “Jungosmanische Gesellschaft” (Türkisch: Yeni Osmanlılar Cemiyeti) nannte und die die Vorgänger* der Jungtürken (Türkisch: Jön Türkler) gewesen sind (Berkes 1964: 204). Diese leiteten die zweite Phase der konstitutionellen Monarchie (İkinci Meşrutiyet) ein (Rumpf 1999: 209f). Die zweite konstitutionelle Monarchie umfasst den Zeitraum von 1908 bis 1918 und begreift den Zwang zum Rücktritt des letzten Osmanischen Sultan Abdulmecid I. durch die Juntürken. Das ist dann auch der Zeitpunkt der Überleitung des Osmanischen Nationalismus zum Türkischen Nationalismus (Kemalismus) und staats-diskursmäßige Etablierung des Paradigmas „Türk-Türkisch-Sunnitisch-Muslim“, welchen Soziologe Besim Can Zırh „Milli Muhafazakârlık“[5] nennt.
3.1. Alevit*innen und der Kemalismus
Zum Thema neuer Hoffnungen gegenüber der Gründung einer modernen Republik schreibt der holländische Soziologe Prof. Martin van Bruinessen in seiner Diskussion zum Thema “Kurds, Turks and the Alevi revival in Turkey”:
„The secularisation of Turkey made the gradual emancipation of the Alevis possible. It is not surprising that during the first great Kurdish rebellion of 1925, which had a strong (Sunni) religious colouring, Kurdish Alevi tribes actually fought against the rebels. It is true that there also were, in 1920 and 1937-38, rebellions of Kurdish Alevis against the kemalist movement and the Republic, but at no time until the present did Kurdish Alevis in significant numbers join forces with Sunni Kurds against the kemalist regime. By and large, Kurdish as well as Turkish Alevis were supportive of the secular and populist ideals of kemalism; many Kurdish Alevis voluntarily assimilated to Turkish culture and came to identify themselves as Turks rather than as Kurds“.
Mehrere Analysen und Untersuchungen aus der sozialwissenschaftlichen Disziplin weisen auf die Begeisterung und große alevitische Unterstützung in der Gründungsphase der Republik hin. So stellt Schriftsteller Metin Aktaş in seiner Diskussion „Alevilik ve Kemalizm“ (Deutsch: Alevitentum und Kemalismus) für die Zeitschrift Sosyalist Mesopotamya fest: “Die Alevit*innen, wurden im (…) Osmanischen Imperium diskriminiert (…), massakriert und in einer intoleranten sozial-politischen Atmosphäre mussten sie ihre Identität und Glaubenspraxis bis zur Republik weitgehend verheimlichen. Unter der Führung von Mustafa Kemal Paşa (Deutsch gelesen: Pascha) wurde die Kuvay-ı Milliye (Deutsch: Nationale Front) gegründet. Alevit*innen vereinten sich somit mit den Patrioten* und – nach dem Nationalen Befreiungskrieg (Türkisch: Ulusal Kurtuluş Savaşı) – mit dem Kemalismus“[6].
Ein paar Argumente von mehrheitlich islamischen Autoren*, die vor allem ihren sekularistischen Erzfeind, nämlich den Kemalismus – seit Anbeginn seiner Existenz und vor allem ab den 1970ern – besonders stark unter die Lupe genommen haben und oft auch das Verhältnis „Alevitentum und Kemalismus“ einander gegenüber gestellt und aus politischer Sicht abgewogen haben, sind besonders skizzenhaft zur Eruierung der Wechselwirkungen dieser (Alevitentum-Kemalismus; Anm.) in verschiedenen politischen Kontexten. Abdullah Saygılı schreibt für das liberal demokratische Internetportal Radikal (blog) zum Thema „Alevilik ve Kemalizm’in Sorunlu İlişkisi“ (Deutsch: Das problematische Verhältnis zwischen Alevitentum und Kemalismus), dass die Alevit*innen in Anlehnung an einen Mythos, dass der Kemalismus die Osmanische Hegemonie in eine moderne, neue Gesellschaft ablösen würde, geglaubt hätten (Übersetzung: Z.A.)[7]. Als zweiten Grund für die Sympathie der Alevit*innen zum Kemalismus nennt Saygılı „(…), die Illusion der Alevit*innen, dass durch die Aufhebung des Kalifats mit dem Kemalismus dem Assimilationsdruck durch den sunnitischen Islam ein Ende bereitet werden würde (Ebd.). Kenan Alpay schreibt für Haksöz Haber, das islamistische Online Newsportal zum Thema „Kemalizmin Bekasına Koşulan Alevilik ve Sosyalizm“ (Deutsch: Zum Erblühen des Kemalismus positionierte Alevitentum und Sozialismus): „Das Alevitentum wird unter anderem zur Blockierung der wachsenden islamischen Bewegungen je nach Bedarf und Nutzen von kemalistischen und auch links-sozialistischen und liberalen Organisationen tagesaktuell gehalten“[8].
Bezüglich dem Laizismus in der Türkischen Republik schreibt Dressler: „(d)ie Säkularisierungsmaßnahmen der frühen Republik und die damit verbundenen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen stehen in einer Kontinuität zum Osmanischen Reich” (Dressler 2002: 136). Es wurde nahtlos an den Säkularisierungsprozess der Tanzimat-Periode und der I. und II. Meşrutiyet fortgesetzt. Dressler schreibt: „Die religiöse Begrifflichkeit des Modernisierungsprozesses im Osmanischen Reich wurde in der Republik durch eine säkularistisch-nationalistische Terminologie ersetzt” (Ebd.). Wichtige Projekte der Republik waren die Errichtung des Türkischen Gesichtsgremiums (Türk Tarih Kurumu, TTK) und des Türkischen Sprachgremiums (Türk Dil Kurumu, TDK) jeweils im Jahre 1924. Beide dienten zur landesweiten Etablierung des Paradigmas „Türk-Türkisch-Sunnitisch-Islam“. Mit dem 24. September 1925 wurde das Şark Islahat Planı, der „Plan zur Durchsetzung der Zivilisation im Osten“ im Türkischen Nationalrat (Türkiye Büyük Millet Meclisi, TBMM) beschlossen. Alle nicht-türkischen und nicht sunnitisch-muslimischen Völker des Territoriums sollten im Hinblick auf das Paradigma zivilisiert werden (Türkisierung und Sunnitisierung; Anm.).
Zwei ganz wichtige historische Ereignisse begründen die ersten Enttäuschungen der Alevit*innen gegenüber dem Kemalismus. Zum einen ist es die Reform der Schließung der Tekke[9] und Klöster am 30. November 1925 (Arslan 2016: 102). Damit wurden die einzigen Stätten der Alevit*innen geschlossen und verboten, in denen sie zum Teil ihre Glaubenspraxen ausüben konnten und die Wissensweitergabe erfolgte. Das heißt, der Schritt (Republikgründung; Anm), was einst als Schritt hin zur Modernisierung im Sinne des Laizismus gesehen wurde, bewirkte einen radikalen Schritt in die Glaubenspraxis der Alevit*innen. Zum anderen ist es das Genozid an den Zaza-Alevi-Kizilbaş[10] in Dersim 1937/38, das zuliebe der Schaffung einer einheitlichen, homogenen, reinen, zivilisierten, modernen türkischen Nation nach west-europäischem Vorbild realisiert wurde. Folgende und ähnliche Schlagzeilen wurden in der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet damals veröffentlicht: „Ein von Hungernden und Nackten besiedeltes Gebiet wird zivilisiert. In diesem als Zentrum der Rückständigkeit bekannten Gebiet ertönen jetzt die türkischen Maschinen“[11].
Spätestens nach dem Dersim-Genozid kam es unter der Einparteiendiktatur der Republikanischen Volkspartei, (Cumhuriyet Halk Partisi, CHP) Atatürks wieder zu einer langen Ruhephase und Leben in Isolation in den entlegendsten Gebieten des Landes. Bis heute sind sehr viele alevitische Siedlungen und Dörfer an hohen Berggipfeln, Tälern und Wäldern angesiedelt.
3.2. Arbeitsmigration und islamische Parteien in der türkischen Politiklandschaft
Die 1960er markieren die Zeit, in der große Migrationen von den anatolischen Dörfern in die türkischen Großstädte erfolgten. Hans-Lukas Kieser hält fest, dass zunächst wegen politischen Vertreibungen und Binnenmigrationen, große Mengen an Alevit*innen aufgrund von wirtschaftlicher Unterversorgung und in der Hoffnung auf ein besseres Leben zuerst in die türkischen Großstädte, dann in die europäische Diaspora auswanderten (Kieser 2001). Ab den 1960ern begibt sich die Türkei in der Atmosphäre einer Mehrparteienlandschaft erneut in politisch sehr bewegte Zeiten. Ohne darauf näher einzugehen, soll kurz skizziert werden, wie die Alevit*innen im Land politisch sich positionierten und wie und warum sie von den politischen Parteien unterschiedlich eingesetzt wurden. Die 1970er sind die Zeiten, in denen sich die ersten islamisch-konservativen Parteien, also die Vorgänger der aktuellen Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (Adalet ve Kalkınma Partisi, AKP) Recep Tayyip Erdoğans (seit 2002 Regierungspartei in der Türkei) zu etablieren versuchten (Arslan 2016: 140ff).[12] Ende der 1970er kam es zu mehreren Angriffen auf alevitische Siedlungsgebiete und zig Alevit*innen wurden unter anderem auch von ihren Nachbar*innen massakriert (Maraş 1978, Malatya 1978, Çorum 1980). Mit dem militärischen Putsch von 1980 unter General Kenan Evren, wurde das Paradigma offiziell benannt: Türk-Islam Sentezi und damit wurde einerseits die Radikalisierung des sunnitischen Islam unter Kontrolle zu halten versucht, andererseits wurden in den alevitischen Dörfern Moscheen errichtet (eine politische Maßnahme, die noch zu Zeiten des Osmanischen Imperiums im 19. Jahrhundert unternommen wurde; Anm.). Das heißt, es wurde eine Vereinheitlichung und Mäßigung mit der Forcierung einer Synthese der ethnisch(türkisch)nationalistischen Identität und einer religiös(sunnitisch) nationalistischen Identität versucht (Näheres dazu: Arslan 2017). 1993 ist das Jahr, an dem schließlich das Massaker in Sivas passierte. Von diversen Sozialwissenschaftler*innen, Journalist*innen und Schriftsteller*innen wird dieses Datum als das Alevi Revival schlechthin deklariert, denn ab diesem Zeitpunkt beginnen die Alevit*innen vor allem in der europäischen Diaspora tatsächlich im Hinblick auf ihre alevitische Identität sich zu organisieren.
4. Eingliederung in neue-alte Dominanzverhältnisse in Österreich
Die Diskussion inwieweit der Islam im Alevismus ist, hat sich vor allem im Zuge der Anerkennungsbemühungen des Alevitentum in der europäischen Diaspora stark entfacht. Eine klare Definition des Alevitentum separat vom Islam, und zwar im Hinblick auf eine Anerkennung unabhängig vom (damals noch) Islamgesetz 1912[13] war nicht möglich. Tatsächlich kommen die alevitischen Führungspersönlichkeiten in der Definition des Alevitentum über die Verwendung der Zwölf Imame, des Kalifen und ersten Imam Ali nicht drüber hinweg. Angesichts dessen wurden die Antragsteller*innen der Föderation der Aleviten Gemeinden in Österreich durch die österreichischen Behörden an die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich IGGiÖ weiterverweist, mit dem Argument, dass der Islam in Österreich verfassungsrechtlich bereits anerkannt und die IGGiÖ die verfassungsrechtliche Vertretung der muslimischen Gemeinde ist. Während ein Teil der Föderationsmitglieder sich gegen die Eingliederung in die sunnitisch dominierte IGGiÖ positionierten – mit dem Argument, dass das nichts anderes bedeuten würde, wie wenn sich die Alevit*innen in der Türkei in das Präsidium für Religiöse Angelegenheiten eingliedern würden – spaltete sich eine Strömung innerhalb der Föderation ab und plädierte die Anerkennung als islamisch-alevitische Glaubensgemeinschaft, jedoch unabhängig von der Kontroll-, Entscheidungs- und Weisungsmacht der IGGiÖ (Arslan 2016b und 2012). Das Bemühen der Föderation eine Nicht-Eingliederung in die IGGiÖ vor den österreichischen Behörden zu erklären, provozierte die Frage, der tatsächlichen Nähe und Distanz des Alevitentum zum Islam in der alevitischen Gemeinde. Neben anderen persönlichen Machtinteressen in den eigenen Reihen der Führung alevitischer Einrichtungen, ist es nach jahrhundertelanger Einflussnahme des Islam, tatsächlich nicht ganz einfach für viele Alevit*innen, ein Alevitentum ohne einen Islam sich vorzustellen.
4.1. Das Verhältnis des Alevitentum zum Islam
Die Diskussion bzw. der Gedanke, inwiefern der Islam mit dem Alevitentum vereinbar ist bzw. inwiefern der Islam im Alevitentum enthalten ist, wurde viel stärker erst im Rahmen der Anerkennungsbemühungen der Alevit*innen in der europäischen Diaspora entfacht (Arslan 2016). Insofern gibt es auch – abhängig vom politischen Kontext, in den Gesellschaften, in denen Alevit*innen leben – einen Unterschied zwischen den Alevit*innen in der Türkei und den Alevit*innen in der europäischen Diaspora, was die Diskussion zur Frage des Islam im Alevitentum anbelangt (Ebd.). So können sich Alevit*innen in der europäischen Diaspora distanzierter zum Islam halten, während das unter der sunnitisch-orthodoxen Hegemonie in der Türkei nicht selten mit lebensbedrohlichen Risiken verbunden ist und daher diese Diskussion außer Frage steht und die Menschen dort in diesem Thema auf die europäische Diaspora mit Sorge und Skepsis blicken.
4.2. Institutionalisierung der Spaltung in Österreich
Im Sinne von Sozialwissenschaftler Rogers Brubaker und Historiker Frederik Coopers folgendem Zitat „(…) the extent to which official categorization shape self-understandings, (…)“ (Brubarker&Cooper 2000: 27), beschäftigte die Diskussion zum Thema Verhältnis des „Alevitentum zum Islam“ jahrelang die Alevit*innengemeinden in Österreich, mit ihren Resonanzen auf die Türkei und andere europäischen Staaten, in denen Alevit*innen leben und organisiert sind – vor allem im Sinne der Fortführung dieser Verhältnissetzung. Bis heute gibt es – mangels fehlender akademischer Untersuchungen – keine Einigung zu dieser Frage, dennoch wurde die islamisch-alevitische Glaubensgemeinschaft am 22. Mai 2013 als Religionsgesellschaft verfassungsrechtlich in Österreich anerkannt.[14] Die Antragsteller*innen der Föderation der Aleviten Gemeinden sind bis heute (Dezember 2016) bemüht die Anerkennung einer unabhängigen Alevitischen Religionsgesellschaft – wie dies in mehreren anderen europäischen Staaten bereits passiert ist[15] – auch in Österreich durchzusetzen. Insofern wurde die Spaltung bezüglich der Frage der Nähe und Distanz des Islam zum Alevitentum, das in der gesamten Welt-Alevit*innencommunity dann weiterfortgeführt wurde, in Österreich institutionalisiert. Darüber hinaus hat die ursprünglich als Islamisch-Alevitische Glaubensgemeinschaft anerkannte Religionsgesellschaft, mit der verfassungsrechtlichen Beschlussfassung vom Islamgesetz 2015[16], auf der Liste der „Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich“, ihren Namen auf Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich, ALEVI[17] umgetauft. Sie steht somit im Abschnitt 4 des Islamgesetz 2015 und ist damit als rechtliche Repräsentanz und Vertretung der gesamten alevitischen Gemeinde in Österreich staatsrechtlich institutionalisiert.
5. Externe Identitätszuschreibungen und der Staat als „identifier“
Die Bemühungen für die staatsrechtliche Anerkennung des Alevitentum in Österreich liefen ziemlich gleichzeitig mit der Diskussionen ab, die als „Islam- Religionslehrerdebatte“ dann bekannt wurde.[18] 2007 ungefähr gab es im deutschen Sprachraum allmählich Diskussion darüber, wie die Islamlehrer*innen rekrutiert werden sollten. In Österreich wurden sie von der IGGiÖ organisiert und neben der Islamischen Religionspädagogische Akademie, IRPA kam es vor, dass Islamlehrer*innen durch zum Beispiel das Präsidium für Religiöse Angelegenheiten in der Türkei nach Österreich delegiert wurden. Am 27. Januar 2009 veröffentlichte Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide eine Studie, in der er erklärte, dass rund ein Fünftel der Islamlehrer in Österreich eine anti-demokratische Haltung innehätten.[19] Gleichzeitig kam es in diesem Zeitraum zu starken Auseinandersetzungen innerhalb der IGGiÖ, die seit 1979 und schließlich bis zum Islamgesetz 2015 alleinige Repräsentation der muslimischen Gemeinde in Österreich innehatte.
Mit der Anfechtung des Islamgesetz 1912 (Dörler 2004 und Arslan 2016: 204-219) durch die alevitischen Gemeinden in Österreich, wurde die Einführung des Islamgesetzes 2015 ermöglicht. Im Paragraph 18 ist es nun gesetzlich geregelt, dass die Rekrutierung von Lehrpersonal für islamische Studien und Islamunterricht an Schulen und Theolog*innen aus dem Ausland unterbunden wird. Darüber hinaus ist neben der Anerkennung der Islamisch-Alevitischen Glaubensgemeinschaft, seit 1. März 2013 die Islamische-Schiitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (Schia) als Bekenntnisgemeinschaft eingetragen. Die Antragsteller*innen für die Anerkennung eines Alevitentums unabhängig vom Islamgesetz sind weiterhin bemüht die behördlichen Instanzen zu durchlaufen und politische Lobbyarbeit zur Gewährleistung dieser zu betreiben. Es ist offentsichtlich, dass mit dem Islamgesetz 2015, das durch die Anfechtung der alevitischen Organisationen in Österreich eingeleitet wurde, die Vormachtstellung der IGGIÖ vor den österreichischen Behörden ebenso geschwächt und gespalten wurde.
Im Sinne von Bourdieu und Foucault schreiben Brubarker und Cooper zum „extern zugeschriebenen Identitätsbegriff“: „(…) the state monoplizes, or seeks to monopolize, not only legitimate physical force but also legitimate symbolic force, as Bourdieu puts it. This includes the power to name, to identify, to categorize, to state what is what and who is who“ (Brubaker; Cooper 2000: 15). So finden die beiden Autoren*, dass der Staat “(…) a powerful “identifier”” ist “(…) because it can create „identities“ in the strong sense (…) because it has the material and symbolic resources to impose the categories, classificatory schemes, and modes of social counting and accounting with which bureaucrats, judges, teachers, and doctors must work and to which non-state actors must refer” (Ebd.: 16). Der Staat hat also im Sinne von Foucaults Gouvernementalitätsbegriff abermals kategorisiert, klassifiziert und vor allem identifiziert, das heißt Identität zugeschrieben (Arslan 2016). So wie in der Türkei wurde also auch auf europäischem Boden das Alevitentum in ständiger Verhältnissetzung zum (sunnitischen) Islam angegangen.
Interne Orientierungslosigkeit der Alevit*innen
Diese Entwicklung ist gleichzeitig auf die interne Orientierungslosigkeit der Alevit*innen allgemein zurückzuführen (Arslan 2016; Puchberger 2004). Stets an den Rand gedrängt und wenig Möglichkeit dazu gehabt, sich mit der eigenen Identität zu befassen, haben die Alevit*innen in der Türkei versucht dem Assimilationsdruck, Diskriminierungen und Lebensgefahren, die sie aufgrund ihrer alevitischen Identität ausgesetzt waren, strategisch zu entkommen. Erst unter den demokratischeren Bedingungen in der europäischen Diaspora konnten sie sich – im Hinblick auf die Institutionalisierung ihres Glaubenssystems, erste Gedanken über ihren Glauben machen. Dieser Prozess brachte es mit sich, dass sie mit ihrer intersektionaler Identität allmählich Bekanntschaft schlossen und erkannten, dass es türkische, kurdische, zazaische, arabische etc. Alevit*innen in verschiedenen Regionen Anatoliens, aber auch der Welt gab. Nicht viel später entdeckten sie, dass entsprechend ihrer Unterschiede in der Ethnie und Sprache, auch ihre politischen Standpunkte sich deckten oder voneinander abwichen. Angesichts der politischen Situation in der Türkei, distanzierten sich oft die türkischen und kurdischen Alevit*innen voneinander und politisierten sich dahingehend.
Eine Re-konstruktion des Alevitentum und Bewusstwerdung über die tatsächliche eigene Identität ohne sich externen Zuschreibungen völlig auszugeben, ist ein Prozess, in denen sich die Alevit*innen heute mittendrin befinden. Eine Definition der Intersektionalität lautet: „(…) dass soziale Kategorien wie Gender, Ethnizität, Nation oder Klasse nicht isoliert voneinander konzeptualisiert werden können, sondern in ihren “Verwobenheiten” oder “Überkreuzungen” (intersections) analysiert werden müssen. Additive Perspektiven sollen überwunden werden, indem der Fokus auf das gleichzeitige Zusammenwirken von sozialen Ungleichheiten gelegt wird. Es geht demnach nicht allein um die Berücksichtigung mehrerer sozialer Kategorien, sondern ebenfalls um die Analyse ihrer Wechselwirkungen“.[20] Allgemein kritisiert der Intersektionalitätsansatz in Bezug auf die Interdependenzen die Dominanzverhältnisse, allerdings wird immer mehr auch darauf hingewiesen, dass diese durch Hierarchisierung und De-thematisierung re-produziert werden können, sodass Abwertungen und Ausblendung von Kategorien eintreten können (Ebd.: 41). So schreibt die Erziehungs- und Sozialwissenschaftlerin Katharina Walgenbach also: „Wenn man deutlich machen will, dass einige Kategorien unsere Gesellschaft grundlegend strukturieren und die Lebenschancen von Individuen prägen, müsste man m.E. deren strukturelle Dominanz in das Zentrum der Analyse stellen“ (Ebd.: 56). Strukturelle Dominanz definiert sie folgendermaßen: „Unter strukturelle Dominanz verstehe ich, dass ein interdependentes Dominanzverhältnis bzw. eine interdependente Kategorie gleichzeitig auf diversen Ebenen und Feldern (re-)produziert wird. Es handelt sich mit anderen Worten um ein historisch, sozial, politisch und kulturell tradiertes Dominanzverhältnis, das mehrere gesellschaftliche Bereiche durchzieht und Lebensrealitäten auf fundamentale Weise prägt. Wobei diese Prägung nicht als deterministisch verstanden wird, sondern als Produkt von sozialen Kämpfen bzw. Kräfteverhältnissen“ (Ebd.). Diese Re-produktion der Dominanzverhältnisse ist zu einem wichtigen Teil auf die Orientierungslosigkeit des sich in Re-konstruktion befindenden Alevitentum zurückzuführen. Diese Orientierungslosigkeit wird von externen Faktoren zwecks politischer Interessen auf diversen Weisen instrumentalisiert; in der Türkei oft als Balanceakt zur sunnitischen Dominanz; in der europäischen Diaspora im Sinne von „im Gegensatz zu den sunnitischen Migrant*innen, integrationsfreudigere Migrant*innengruppe aus der Türkei“ und wie zuletzt in Österreich zur Schwächung der Machtposition der IGGiÖ.
Schluss
Im Zusammenhang meiner Vorträge in alevitischen Einrichtungen und ständigem Dialog mit diesen, aber auch diskursanalytischer Umgang mit alevitischen Medien, kann ich abschließend festhalten, dass der ständige Einsatz der Alevit*innen in der Türkei als Balanceakt zur sunnitischen Mehrheitsgesellschaft zu großen Teilen innerhalb der alevitischen Gesellschaft bekannt war und ist. Die französische Soziologin Elise Massicard führt in ihrem Buch „The Alevis in Turkey and Europe. Identity and Managing Territorial Diversity“ in mehreren Beispielen aus, wie alevitische Führungspersönlichkeiten oft diesen Balanceakt für eigene kurzfristige Vorteile, wie zum Beispiel Ermöglichung eines Mandats für einen Politiker, der im Gegenzug versprach sich mehr um die Dorfangelegenheiten bzw. Vereinsangelegenheiten der Alevit*innen zu kümmern, nutzten. Massicard bezeichnet das als opportunistischen Akt. Meiner Meinung nach, handelt es sich viel eher um Überlebensstrategien, die – zurückführend auf die erlebten Traumata (Alevi Massaker im Osmanischen Reich und in der Republik Türkei; Anm.) und in diesem Zusammenhang, mangels Selbstvertrauen (vgl. Arslan 2016) – in der Hoffnung auf Schutz vor neuen Gewaltaktionen seitens sunnitischer Extremist*innen, für kurzfristige Lösungen vergeblich eingesetzt wurden. Dass die Alevit*innen aber – noch während sie dabei waren sich allmählich im Klaren zu werden, dass sie sich unter den demokratischeren Bedingungen in der europäischen Diaspora, in einem Prozess der Re-konstruktion des Alevitentum befinden – in ihrer Orientierungslosigkeit, durch die österreichischen Behörden dazu instrumentalisiert wurden, staatspolitische Interessen durchzusetzen, ist eine Situation, die einer Verinnerlichung und eines Begreifens innerhalb der österreichischen anatolisch-alevitischen Gesellschaft noch aussteht und einer Bewusstseinswerdung darüber bedürft…
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[1] Je nach politischer Position auch Nord-Mesopotamien oder West-Armenien genannt.
[2] Folgende Sätze werden Hace Bektaş Veli zugesprochen und wird den alevitischen Kindern in die Wiege gelegt: „Das wichtigste Buch zum Lesen ist der Mensch“; „Ermögliche den Frauen eine gute Bildung“; „Betet nicht mit den Knien, son-dern mit den Herzen“; „Das Universum ist die sichtbare Gestalt Gottes“; „Rituelle Gebete machen den Menschen nicht besser“; „Es zählen die Taten nicht die Worte“; etc. Vgl.: Arslan 2016: 98
[3] Kurz nach dem Tod des Propheten Mohammed 632 n. Chr. kam es zum politischen Nachfolgestreit in der damaligen islamischen Welt. Im Zuge von diesem politischen Disput teilte sich die islamische Welt in eine sunnitische und in eine schiitische Rechtsschule. Die Schiit*innen plädierten für eine Nachbesetzung durch den Vetter, Cousin und Schwiegersohn ʿAlī ibn Abī Tālib. Dieser Streit, welcher Jahrzehntelang andauerte, führte zu grausamen kriegerischen und politischen Gefechten und kostete zig Leben aus der Nachkommenschaft des Imam Ali. Die Schlacht von Kerbela (Stadt im heutigen Irak) 680 n. Chr. markiert das verbindende Moment der anatolischen Alevit*innen, der arabischen Alevit*innen (Nusairier*innen auch arabische Alawiten oder ʿAlawīyūn genannt; leben im heutigen Syrien, Libanon und mehrheitlich in den türkischen Provinzen Adana, Mersin, Hatay, Iskenderun) und der Schiit*innen. Historiker Daimi Cengiz, der seine Untersuchung auf die ost-anatolischen kurdischen und zazaischen Alevit*innen konzentriert, erklärt, dass die Verwendung schiitischer Eigenschaften im anatolischen Alevitentum vielmehr symbolische Bedeutung trägt. Mehr zur Schlacht von Kerbela: Arslan 2016: 45fff)
[4] „Kızılbaş“ ist zu einer Art Contaignerbegriff ausgeartet und wird oft allgemein zur Bezeichnung der Alevit*innen verwendet. Ich fasse diesen Begriff anders auf, indem ich die ost-anatolischen Alevit*innen, also jene, die in Nähe und enger Sympathie zum Schah Ismail I. standen und sich gerade diese gegen die zentrale Macht des Osmanischen Imperiums auflehnten, als Kızılbaş bezeichne. Für meine detailliertere Argumentation dazu siehe Arslan 2016: 85
[5] Begriffsdiskussion: Zırh, Besim Can: Bir Kesişim olarak Milli-Muhafazakârlığın Üç Değili: Aleviler, Ermeniler ve Kürtler. Çakmak, Yalçın; Gürtaş, İmran. Hg. (2015): Kızılbaşlık, Alevilik, Bektaşilik. Tarih-Kimlik-İnanç-Ritüel.
İletişim Yayınları. İstanbul.
[6] Übersetzung von Z.A.: Originalzitat in Türkisch: „Devşirme yöneticilerin güdümünde olan Osmanlı İmparatorluğu’nca dışlanan, hatta değişik bahanelerle kırıma uğrayan Aleviler, hoş görüsüzlüğün ve hiç hak etmedikleri iftiraların yarattığı toplumsal-siyasal ortamdan korunmak için, Cumhuriyet dönemine dek olabildiğince, kimliklerini ve ibadetlerini gizlemek zorunda kalmışlardır. Mustafa Kemal Paşa’nın öncülüğünde kurulan Kuvay-ı Milliye örgütünde, bütün yurtseverlerle birlikte buluşan Aleviler, Ulusal Kurtuluş Savaşı’ndan sonra gerçekleştirilen Büyük Türk Devrimi’nde beklentilerini bularak, Kemalizm ile bütünleşmişlerdir.” Siehe: Aktaş, Metin: Alevilik ve Kemalizm. http://www.mesop.net/osd/soft/zeitung_print.php?id=204 [23.12.2016]
[7] Originalzitat: „Alevi toplumunun Kemalizm’e sempati duymasının diğer önemli bir nedeni de, halifeliğin kaldırılmasıyla, devletin din karşısında tarafsız bir konuma geldiği ve Alevilerin Sünni İslam dayatmasından kurtulduğu yolundaki inançtır“. Siehe: Saygili, Abdullah (7.1.2013): Alevilik ve Kemalizm’in Sorunlu İlişkisi. In Radikal. http://blog.radikal.com.tr/din/alevilik-ve-kemalizmin-sorunlu-iliskisi-10273 [10.8.2016]
[8] Übersetzung Z.A.: Originalzitat „Söz konusu Alevilik tartışmaları başka bazı tali amaçlar dışında elbette yükselen İslami hareketleri bloke etme niyetiyle Kemalizm kadar sol-sosyalist hareketler ve liberal çevreler açısından da kullanıma elverişli görüldüğü oranda gündemde tutuluyor“. Siehe: Alpay, Kenan (25.7.2013):
Kemalizmin Bekasına Koşulan Alevilik ve Sosyalizm. In Haksöz haber: http://www.haksozhaber.net/kemalizmin-bekasina-kosulan-alevilik-ve-sosyalizm-27230yy.htm [12.9.2016]
[9] Wikipedia: Eine Tekke (osmanisch تكيه tekye; bosnisch tekija; albanisch teqe; arabisch زاوية zāwiya; persisch درگاه dargāh bzw. خانقاه chāneqāh, aus letzterem auch transkribiert Khanqah, Khaniqah oder Khanqa; pl. die Tekken) ist ein Zentrum einer Sufi-Bruderschaft (Derwisch-Orden, bzw. tariqa) und bedeutet so viel wie „Rückzugsort“, „Schutz“ und „Asyl“.
[10] Diese Alevit*innen haben ihre Ursprünge in der historischen Region Dersim (Türkisch: Dersim, Armenisch: Տէրսիմ/Դերսիմ Tersim, Kurmancî: Dêrsim, Zazaki: Dêsım historische Region umfasst die Provinzen Tunceli (Zazaki: Mamekiye), teilwesie Elazığ, Bingöl, Sivas, Erzincan, Varto und Erzurum) und sprechen hauptsächlich Zazaki [(auch Dımılki,Kırmancki, Kırdki, Zonê Ma genannt), das eine Indo-germanische Sprache aus der west-iranischen Sprachfamilie ist. Siehe: Wissenschaftliche Konferenz: Zazaki-gestern, heute und morgen. Zur Aufrechterhaltung und Weiterpflege einer bedrohten Sprache. 18.12.2015: Tagungssammelband wird veröffentlicht. Herausgeberin: Zeynep Arslan] und zum Teil Kurmancî (Nord-Dialekt des Kurdischen).
[11] Originalzitat: “Açlar ile çıplaklarla meskûn olan bir yer medenileştiriliyor, geriliğin ana merkezi olan bu muhitte şimdi Türk motörlerinin uğultusu birbirine karışıyor” Siehe: Türkische Tageszeitung Cumhuriyet: İIllelebet Milli Cumhuriyet. Haberler Analizler dosyalar Araştırmalar Belgeler. Atatürk ve Dersim Katliamı: https://millicumhuriyet.com/ataturk/940-2/ [23.12.2016]
[12] Millî Nizam Partisi unter Necmettin Erkaban (1970), Millî Selamet Partisi unter Necmettin Erbakan (1972), Refah Partisi unter Necmettin Erbakan (1983), Fazilet Partisi (1997), Saadet Partisi (2001). Erbakans politische Tätigkeiten wurden verfassungsrechtlich verboten, da er die Scharia einzuführen drohte. Am 13. April 1994 erklärte Erbakan in einer Rede zu seinen Wähler*innen, dass der Übergang zum islamischen Staat kommen, egal ob mit Blut oder ohne Blut, letztendlich kommen werden würde. Die Fazilet Partisi wurde dann von Recayi Kutan zwar geführt, aber Erbakan war im Hintergrund der eigentliche Leiter der Partei. Ebenso wurde diese Haltung in der Saadet Partei, nach dem Verbot der Fazilet Partei weitergeführt. Erbakan setzte seinen politischen Einfluss bis zu seinem Tod weiterfort. Die Diskussion darüber, ob der politische Kampf für die Einführung eines konservativen Staates mit traditionellen Methoden und Personen (die Traditionalisten; Türkisch: Gelenekçiler) oder mit neuen Methoden und den Jungen (die Progressiven; Türkisch: Yenilikçiler) führte zur Machübernahme durch die Jungen und die aktuelle AKP Regierung ab 2002. Details dazu siehe Arslan 2016: 148fff
[13] Dieser wurde im Zuge der Einwanderung neuer islamischer Gruppen und deren Forderungen zunächst 1988 novelliert und seit 2015 gibt es das neue Islamgesetz in Österreich. Siehe dazu Arslan 2016: 196ff und siehe auch: Reichsgesetzblatt: Gesetz vom 20. Mai 1874: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?apm=0&aid=rgb&datum=18740004&seite=00000151&zoom=2 [23.12.2016]
174 IGGiÖ: Das Islamgesetz von 1912. http://www.derislam.at/islam.php?name=Themen&pa=showpage&pid=6 [23. 12.2016]
[14] Bundesgesetzblatt Österreich 22. Mai 2013. 133. Verordnung: Anerkennung der Anhänger der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft als Religionsgesellschaft: http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2013_II_133/BGBLA_2013_II_133.html [Zugriff: 23.12.2016]
[15] England, Holland, Dänemark, Basel (Schweiz),deutsche Bundesländer: Baden Württemberg, Nordrhein-Westphalen, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Saarland, Berlin
[16] Gesamte Rechtsvorschrift für Islamgesetz (23.12.2016): https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20009124 [23.12.2016]
[17] Kultusamt: Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich: https://www.bka.gv.at/kirchen-und-religionsgemeinschaften
[18] Redmann, Steffi. In: Homepage Deutsche Islam Konferenz: Gott, Muhammed und Ali. Alevitischer Religi-onsunterricht in Deutschland. 4. März 2009. In: http://www.deutsche-islam-konferenz.de/cln_110/nn_1449520/SubSites/DIK/DE/Themen/Religionsunterricht/AlevitischerRU/alevitischer-unterricht-node.html?__nnn=true [23.12.2016]
[19] Der Standard (28.1.2009): Islamlehrer auf dem Prüfstand: http://derstandard.at/1231153132386/Islamlehrer-auf-dem-Pruefstand [23.12.2016]
[20] kulturshaker.de. KRITISCHE KULTURTHEORIE FÜR DIE PRAXIS: Intersektionalität. http://kulturshaker.de/paedagogik-der-begegnung/machtkritische-ansaetze/intersektionalitaet/ [23.12.2016]