#8M24 Sendereihe – Frauen, Frieden, Solidarität

Mit Rosa Logar, Gewaltschutzexpertin und Frauenrechtlerin sowie Mitbegründerin des WILPF-Austria „Women´s International League for Peace and Freedom“ über Frauen und Frieden

Zeynep Arslan

Wer oder was ist WILPF und was ist die Bedeutung von Frauenfriedensbewegungen im 21.Jahrhundert?

WILPF wurde 1915 von über 1000 Frauen in Den Haag und mitten im ersten Weltkrieg
gegründet. Frauen haben gegen den Krieg protestiert und verlangt, dass der Krieg aufhört.
Dieser Krieg, der Millionen von Menschenleben gefordert hat, ist dann noch drei Jahre
weitergegangen. Es gab damals auch schon andere internationale Frauenorganisationen und
das vorranginge Thema der Frauenbewegungen war das Frauenwahlrecht. Durch den Krieg
ist eine Nationalisierung von manchen Frauenorganisationen entstanden; d.h. es gab auch
viele Frauenorganisationen, die den Krieg unterstützten. WILPF ist aus Opposition zu dieser
Haltung entstanden. Diese grundsätzliche Haltung gegen Krieg war feministisch-pazifistisch
und damit der Grundpfeiler von WILPF, im Gegensatz zu Frauenorganisationen, die
patriotisch auf der Seite ihres Landes gekämpft haben.
Auch im 21. Jahrhundert braucht es die Friedensorganisationen von Frauen. Wir sehen, dass
es immer wieder Kriege und bewaffnete Konflikte, sowie Verletzung von Menschen- und
Frauenrechten gibt. Ich freue mich sehr, dass ich 1993 gemeinsam mit Mina Ahadi, die aus
dem Iran flüchten musste, an der Kampagne „Frauenrechte sind Menschenrechte“
gearbeitet habe.

Siehst du Zusammenhänge zwischen den gegenwärtigen Dynamiken der Eskalation und angestiegener Gewalt in der Sprache an sich auf der einen Seite und Verdichtung des Gewaltpegels in den Gesellschaften, die sich vermehrt auch wieder gegen die Frauen richtet?

Ich sehe diese Zusammenhänge, es gibt einen Backlash für Frauenrechte und wir sehen in
verschiedenen Ländern die Entwicklung, dass Rechte, die sich Frauen erkämpft haben, z.B.
das Recht auf Abtreibung, wieder in Frage gestellt werden. Es sind sehr starke Tendenzen
von ultrakonservativen und rechten Gruppen, die Frauen in ihre traditionellen Rollen
drängen wollen, das ist eine weltweite Bewegung. Wir sehen, dass es in vielen Ländern
Strukturen gibt, die ein sehr traditionelles Frauenbild unterstützen und das sind nicht nur
Länder, wie die Türkei, sondern auch Länder wie z.B. Österreich. Wir haben hier Parteien, die
der Meinung sind, dass Frauen am besten an den Herd zurückgehören. Das sind sehr
problematische Entwicklungen, die nicht nur frauenfeindlich, sondern auch rassistisch und
homophob sind und sich auch gegen Personengruppen richtet, die nicht dem
heteronormativ-binären Geschlechterkonstrukt entsprechen.

Kriegsführung dient oft dem Kampf um die Vorherrschaft in der Welt und sie ist eine zutiefst
patriarchale Idee. Es geht dabei um die ökonomische und politische Vorherrschaft.
Patriarchale, ausbeuterische und kapitalistische Strukturen treten zusammen mit Rassismus
und Imperialismus sowie Sexismus auf. Diese Strukturen schaffen Ungleichheiten, die nicht
nur Frauen betreffen. Sie stellen das Menschenrecht, dass jeder Mensch, jede Frau frei und
mit gleichen Rechten geboren ist, in Frage. Diese Diskurse, die die Gesellschaft spalten und
zerstören, betreffen in besonderer und mehrfacher Weise Frauen, aber eben nicht nur
Frauen.

Wie sind die internationalen Solidarisierungspraxen von Frauen heute und lassen sich aufgrund der Möglichkeiten des Einsatzes von Social Media eine Verstärkung/Verbesserung von Kooperationsbemühungen nachvollziehen?

Einerseits gibt es viel mehr Möglichkeiten zu kommunizieren, denn früher mussten die
Frauen sich Briefe schreiben. Andererseits war die Frauensolidarität immer stark. Auch wenn
Frauen früher Schwierigkeiten hatten zusammenzukommen, waren sie immer schon
international verbunden. Auch türkische Frauen haben sich im 19. Jahrhundert international
für Frauenrechte eingesetzt, so wie dies auch in vielen anderen Ländern der Welt der Fall
war. Es ist richtig, dass nicht alle Frauen gleich sind und sie haben auch nicht gleiche
Positionen. Klischees und Stereotypen, die Frauen pauschal zugeschrieben werden, stimmen
also nicht. Es gibt auch Streit und viele Unterschiede in der Frauenbewegung und das ist
auch wichtig, denn politische Bewegungen dürfen und können nicht „gleichgeschalten“ sein.
Frauen, die in den eigenen Ländern Verachtung, Gewalt und Unterdrückung erfahren, haben
oft das Gefühl, keine Heimat zu haben, ihre Heimat ist die Solidarität in der internationalen
Frauenbewegung. Ich habe oft erlebt, dass diese Solidarität und diese Verbundenheit den
Frauen Kraft gibt. Frauen wissen, dass es in anderen Ländern auch Frauen gibt, die so
denken wie sie; sie sind füreinander da und unterstützen sich. Das ist ein sehr wichtiges
Element von Frauenbewegungen, die keine ethno-kulturellen Grenzen kennen und
international sind. Social Media erleichtert den Kontakt weltweit und es ist großartig, dass
wir kooperieren können mit unseren Schwestern, die in Ländern sind, in die wir nicht reisen
können. Social Media dient leider auch der Unterdrückung von Frauen, aber wir nützen sie
um Frauen miteinander zu verbinden!

Welche Potentiale stecken aus deiner Sicht in Frauenfriedensbewegungen für die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft?

WILPF arbeitet auf allen Kontinenten und wir haben auch sehr viele WILPF-Gruppen in Afrika
und in der MENA Region. Die zunehmende Militarisierung der Welt ist eine Erscheinung
patriarchaler Systeme. Armeen, Kriege und Waffen haben immer zur patriarchalen
Herrschaft gehört. Bei der Abrüstung haben wir im vergangenen Jahrhundert Fortschritte
gemacht, doch sind diese heute wieder in Gefahr. Über den Krieg reden hauptsächlich
Männer und es wird so getan, als ob Frauen nichts davon verstehen würden. Allerdings
verstehen Frauen sehr viel davon, sie kennen männliche Gewaltherrschaft und deren
ökonomische und ökologische Zusammenhängen nur zu genau. Wir verstehen genau, was
die Folgen von steigenden Militärausgaben sind. Kürzungen in den Bereichen Bildung,
Soziales und Gesundheit sind die Folge wenn enorme Summen in Aufrüstung und Militär und
damit in Zerstörung gesteckt werden. Die größte Bedrohung ist die Atomwaffe, die jetzt
sogar als Kolonisierungsinstrument eingesetzt wird, um Angst und Schrecken zu verbreiten und Unterordnung zu erreichen. Wir Frauen sollten uns gegen diese Dynamiken, die Kriege
als unvermeidbar sehen, organisieren und in den Streik gehen. Es ist enorm wichtig, dass
Frauen und Feminist*innen genauer hinschauen, sich zu Wort melden und aufstehen, denn
wir kennen die Mechanismen von Macht und Gewalt.

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